Kulturpreis für Thomas Glasmeyer: Sieben Auszeichnungen beleuchten Würzburgs facettenreiche Kulturszene

Für sein Ein-Mann-Puppentheater „piccolo teatro espresso“ schlüpft Thomas Glasmeyer künstlerisch und organisatorisch in viele Rollen. Er ist in einer Person Intendant, Puppenbauer, Regisseur, Darsteller, Buchhalter, Bühnenbildner oder Texter. Und nun ist er auch Kulturpreisträger der Stadt Würzburg. „Ab heute stehen Sie in einer Reihe mit Persönlichkeiten wie Jehuda Amichai, Norbert Glanzberg, Dieter Stein oder auch Frank-Markus Barwasser“, ordnete Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei der Preisverleihung ein. 

Wie lange Glasmeyer diese „One-Man-Show“ nun schon mit Bravour meistert, dafür liefert wohl eine Heerschar von Puppen den eindrucksvollsten Hinweis. Über 1000 Charaktere hat das Multitalent bereits erschaffen. Laudator Daniel Osthoff verriet, dass rund 40 bis 50 Arbeitsstunden in jeder einzelnen der kunstvollen Puppen stecken und zeigte die Vielfalt der bisherigen Produktionen auf. Der hochverdiente Kulturpreis würdige nun diese unglaubliche Schaffenskraft und kreative Ausdauer seit dem Sprung in die Selbstständigkeit 1990 - vom Stadttheater zum Puppentheater. Bei „Puppentheater“ denken viele zunächst an eine Kunstform für Kinder. Was als Kind fasziniert, sitzt aber offensichtlich ein Leben lang tief. Glasmeyer hat ganz eindeutig die Gabe, auch Erwachsenen dabei zu helfen, die Welt und die Hochkultur wieder mit einem kindlichen Blick zu sehen: direkt, zugespitzt, voller Humor und Unverdorbenheit. 

Osthoff beschrieb genau, mit welchen Mitteln der Preisträger zu Beginn einer Vorstellung sein Publikum in den Bann zieht. Die Festgäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Ratssaal erlebten es am Ende aber auch live als Glasmeyer einen Auszug aus „Fauste“ bot und sehr frei mit dem Stoff aus „Faust I“ und „Faust II“ jonglierte. Der Preisträger unterstrich in seinen Dankesworten, dass er sich keineswegs nur als Einzelkämpfer verstehe, so bedankte er sich beispielsweise bei den vielen Bühnen in und außerhalb Würzburgs, die regelmäßig auf seine Produktionen setzen wie beispielsweise das Theater Spielberg, die Werkstatt-Bühne oder das Theater Augenblick.

Drei Kulturmedaillen

Die gesamte vom Fachbereich Kultur organisierte Preisverleihung zeigte auf, an wie vielen Stellen Würzburgs Kulturszene vernetzt ist, in Bewegung bleibt und Nährboden für Neues bietet. Schuchardt sprach im Vorgriff der Verleihung der drei Kulturmedaillen von „Macherinnen und Machern, die sprichwörtlich die Ärmel hochkrempeln und mit viel Esprit und Leidenschaft viele Schwierigkeiten überwindend Dinge bewegen. Vielleicht manchmal auch Berge versetzen.“

Das Augustinerkloster ist ein solches Beispiel. Laudator Burkhard Hose würdigte die Lesungen, Orgelkonzerte, Tanzperformances, Ausstellungen und Installationen in der Augustinerkirche, die aus dem Kulturleben nicht mehr wegzudenken sind. Er hob wie auch die Jury hervor, dass hier ein Raum geschaffen wurde, in dem sich Menschen als Gleichgestellte erfahren. Das bedeutet u.a., dass kulturelle Angebote unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zugänglich sind.“ So war beispielsweise Olivier Latry, der Titularorganist von Notre Dame in Paris, der weltweit Konzerte spielt und insbesondere für seine Improvisationen auf der Orgel bewundert wird, schon mehrfach in Würzburg zu Gast. Das Publikum entschied stets beim Gehen, welche Spende sie für einen solch außergewöhnlichen Konzertabend ins Körbchen legen wollen. Latry ist nicht der einzige Weltstar, der bei den Augustinern sein Können zeigte. Kirchenmusiker Hans Bernhard Ruß und Bruder Michael Clemens nahmen stellvertretend für die Augustinerkirche, die Kulturmedaille entgegen, betonten aber auch die wichtige Rolle des Fördervereins, zahlreicher Wegbegleiter und Ehrenamtlicher.

Ohne die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer hätte wohl auch das Internationale Filmwochenende in diesem Jahr kaum seinen 50. Geburtstag feiern können. Dr. Gunther Schunk hatte in seine Laudatio nicht nur Filmzitate aus allen Jahrzehnten eingebaut, er ließ auch viele Zahlen sprechen. In einem halben Jahrhundert dürften die begeisterten Cineasten im Orgateam verteilt auf rund 1000 Filme (die beliebten Kurzfilme hier einmal unterschlagen) rund 350.000 Gästen „unsterbliche Kinomomente“ beschert haben, die laut Schunk so anders seien als der allgegenwärtige Konsum von YouTube, TikTok oder Netflix. Der Vorsitzende der Filminitiative Florian Hoffmann sprach von 70 Mitgliedern und rund 100 Helfern am Wochenende, grob geschätzt rund 1000 Menschen, die zwischen 1974 und 2024 andere Menschen mit Kino bereichert hätten. Viele haben einen kleinen oder großen Anteil am Erfolg dieses Festivals, das inzwischen in Würzburg einige Nachahmer fand. Im Saal war mit Arnold Schätzler ein Vereinsmitglied der ersten Stunde und natürlich fiel auch der Name Berthold Kremmler, der über viele Jahre das Festival mitprägte. Zur Kulturmedaillenverleihung hatte Dr. Schunk neben Worten der Anerkennung auch einen Scheck der Vogel Stiftung im Gepäck. Der langjährige Förderpartner unterstützt den Start in die nächsten 50 Jahre Festivalgeschichte mit einem Überlängenzuschlag von 2000 €.

Gegenüber dem Filmwochenende ist die 2017 ins Leben gerufene „Würzburger Gypsy Jazz Jam Session“ eine noch sehr junge Institution. Doch am vergangenen Sonntag fand bereits die 53. Runde statt, die sich dem Genre widmet, das in der Vergangenheit vom Gitarristen Django Reinhardt oder dem Geiger Stéphane Grappelli geprägt wurde, und immer neue Bands oder Solisten in den Bann zieht. „Nirgends sonst im Jazz ist es so einfach, spontan einzusteigen und mitzuspielen – diese Freiheit macht den Gypsy Jazz so charmant“, hat Laudator Benjamin Haupt beobachtet: „Die monatliche Jam Session im Keller Z87 (ursprünglich in der MS Zufriedenheit gegründet) ist mittlerweile ein echter Leuchtturm der Kultur für die ganze Region. Wo sonst kommen Amateur- und Profimusiker, Swingtänzer und neugierige Zuhörer so unkompliziert und respektvoll zusammen?“ Und wer ist für diesen besonderen Begegnungsort im Zeichen der warmen Klangfarbe verantwortlich? Die Band INSWINGTIEF beziehungsweise Sabrina Damiani, Stefan Denger, Thomas Buffy und Felix Leitner. Ein zusätzliches Workshopangebot verleiht der Session nicht nur das Prädikat „musikpädagogisch wertvoll“, sondern nun auch eine städtische Kulturmedaille.

Zwei Kulturförderpreise

Ob auch die Band CALL IT A DAY schon einmal bei der Gypsy Jazz Jam Session vorbeigeschaut hat, blieb bei der Preisverleihung offen, in jedem Fall bedankte sich die Post-Hardcore-Band mit einer „Unplugged“-Hörprobe weniger laut und hart als man sie seit ihrer EP „Help me drown“ kennt. Die Bühnen sind seit 2022 in sehr kurzer Zeit viel größer geworden, doch der Aufstieg bis zur Einladung zum Taubertal-Festival verlief dennoch wie eine „emotionale Achterbahnfahrt“, wie nun Gitarrist Felix Sprüng in seinen Dankesworten einräumte. Als dann ein „Herr von einem Amt anrief“ rechnete man erstmal mit Ärger und nicht mit der Gratulation zum Kulturförderpreis. Die Jury überzeugte der Newcomer nicht nur musikalisch, sondern auch durch die klare Haltung im Kampf gegen Diskriminierungen oder für soziale Gerechtigkeit.

„Max Gehlofen widmet sich in seiner Kunst insbesondere dem menschlichen Körper, wobei er natürliche Materialien wie Stein, Holz und Ton mit künstlichen Medien wie Plexiglas und 3D-Druck kombiniert. Seine Werke - Skulpturen oder Skizzen - stehen im Dialog mit ihrer Umgebung und machen Kunst im alltäglichen Raum erfahrbar.“ Passend zu dieser Würdigung der Jury ließ der Künstler eines seiner Werke im Ratssaal einfach mal „rumgehen“. Wer die zuletzt zahlreichen Ausstellungen beispielsweise in der Arte Noah, in der BBK-Galerie, im Museum Otto Schäfer in Schweinfurt oder auch im Würzburger Rathaus verpasst hat, konnte die filigrane Kunst so „aus erster Hand“ erfahren. Marina Breitschaft brachte zudem in ihrer Laudatio den Menschen näher, der hilfsbereit auch anderen Künstlern Ausstellungsflächen organisiert, seine Familie und Kunstwerke mit dem Lastenrad kutschiert und sich von keinem Trend des Kunstmarkts verbiegen lässt.

Simon Schacht und Christian Schlosser sind zusammen das Duo ATE. An vielen Orten in Würzburg haben ihre Fassadengestaltungen, Installationen oder illustrativen Designs den öffentlichen Raum oder andere Sphären erobert. Ingolf Stöcker warf als Laudator ein Best Of der Werke an die Wand, darunter prägende großflächige Murals  wie beispielsweise am Sieboldgymnasium oder an der Grombühlbrücke, kleinere Werke wie der bemalte Bücher-Wal in der Zellerau oder die müllfressenden Abfallmonster auf der Alten Mainbrücke. Die durch eine tiefe Freundschaft verbundenen Künstler, platzieren in einem Stil mit hohem Wiedererkennungswert gesellschaftlich relevante Botschaften an niedrigschwelligen Orten und sorgen somit ebenfalls für eine Demokratisierung der Kunst. Durch ihren Beitrag in der Kunstvermittlung senken sie ebenfalls die Barrieren beim Zugang zur Kunst, indem sie junge Menschen bei ihren ersten Kunstprojekten begleiten. ATE erhielten für ihre Kunst, die im ständigen Dialog mit der Stadtgesellschaft steht, ebenfalls einen Kulturförderpreis. 

Kulturpreis 2024-25
Kulturpreis 2024-25

Welch ein Jahrgang: Die Stadt vergab den Kulturpreis, Kulturförderpreise und Kulturmedaillen im vollbesetzten Ratssaal. Foto: Georg Wagenbrenner

Kulturpreis 2024-24
Kulturpreis 2024-24

Über 1000 Puppen zeugen von seiner Schaffenskraft: Der Kulturpreisträger der Stadt

(18.10.2024)

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